Beziehungs/Weise

Sag zum Abschied leise ‚Servus‘: Wie und warum Sie Austrittsgespräche führen sollten

von Gabriele Fischereder
10. 04. 2017
Lesezeit: 5 Minuten

Ein langjähriger, guter Mitarbeiter hat völlig überraschend gekündigt. Autsch! So etwas sitzt. Sobald Sie sich vom ersten Schock erholt haben, erledigen Sie die notwendigen Formalitäten und hoffen, dass der Mitarbeiter noch bis zum letzten Arbeitstag halbwegs zuverlässig seinem Job nachgeht. So ganz sicher sind Sie sich allerdings nicht, warum er wirklich gekündigt hat. Nochmal nachfragen wollen Sie aber auch nicht, schließlich hat man als Chef ja seinen Stolz …

Gleich vorweg: Ein Austrittsgespräch ist nicht mit einem Kündigungsgespräch zu verwechseln, es findet nämlich nach der Kündigung statt, kurz vor dem letzten Arbeitstag, um nochmals miteinander zu reden und ganz unbefangen Rückschau auf die gemeinsame Zeit zu halten.

Es geht im Kern darum, mehr über die Erfahrungen und Sorgen des Mitarbeiters während seiner Zeit im Unternehmen zu erfahren, aber auch zu erforschen, was er am Arbeitgeber geschätzt hat. Wenngleich das Austrittsgespräch alles andere als ein Verhör sein soll, so ist das zentrale Ziel doch, die wahren Kündigungsgründe zu erfahren, um am Ende daraus zu lernen.

Austrittsgespräch #läuft

Wichtig ist, zunächst eine angenehme, lockere und entspannte Atmosphäre zu schaffen. Sorgen Sie dafür, dass das Gespräch auf möglichst neutralem Boden stattfinden kann und dass die Unterhaltung nicht von hereinkommenden Kollegen oder Telefonaten gestört wird.

Klären Sie gleich zu Beginn, wie lange das Gespräch dauern wird, mit welchem Ziel und Ablauf es geführt wird. Ermutigen Sie den Mitarbeiter zu Offenheit und Kritik, sichern Sie ihm aber gleichzeitig absolute Vertraulichkeit und Diskretion zu.

Nur wenn keine negativen Folgen zu erwarten sind, werden auch wertvolle und u.U. heiklere Informationen mitgeteilt.

Um während des Gesprächs aktiv zuhören zu können, bereiten Sie sich idealerweise im Vorfeld mit einem Leitfaden darauf vor. Dort können sich Fragen wiederfinden wie z.B.:

  • Warum haben Sie sich damals bei uns beworben?
  • Was hat Ihnen bei uns im Unternehmen gefallen, was hat Sie gestört?
  • Was sind die Hauptgründe für Ihre Kündigung?
  • Wie beurteilen Sie das Führungsverhalten Ihres Vorgesetzten?
  • Unter welchen Voraussetzungen wären Sie bereit gewesen zu bleiben?
  • Was wird bei Ihrem neuen Arbeitgeber besser werden? Was werden Sie dort vermissen?
  • Welche positiven Erinnerungen werden Sie von Ihrer Zeit hier bei uns behalten?
  • Wenn Sie etwas an unserem Unternehmen verändern könnten, was wäre das?

Um zu möglichst verwertbaren Informationen zu kommen, ist es hilfreich nachzuhaken und nach jeweils konkreten Vorfällen zu fragen – im positiven, wie im negativen Sinne.

Top 5 - Tipps für Austrittsgespräche

  1. Der richtige Zeitpunkt für ein Austrittsgespräch ist nach Ausstellung des Dienstzeugnisses. Der Mitarbeiter soll nicht fürchten, dass sich eventuelle negative Äußerungen auf seine Beurteilung auswirken. Am größten ist die Chance auf ehrliches Feedback, wenn Sie das Gespräch wirklich erst einige Tage vor dem Austritt ansetzen.  
  2. Achten Sie darauf, dass dem Mitarbeiter ein möglichst neutraler Gesprächspartner im Austrittsgespräch gegenübersitzt. Wenn irgendwie möglich, sollte das nicht der direkte Vorgesetzte sein. Häufig werden dafür Personalisten oder auch externe Berater herangezogen.
  3. Vereinbaren Sie gleich am Anfang Gesprächsregeln. Wichtig ist, dass beide Parteien möglichst wertschätzend und sachlich bleiben.
  4. Vorsicht: Je nach Mitarbeiterpersönlichkeit oder Kündigungsgrund können Austrittsgespräche teilweise stark von Emotionen gefärbt und dadurch weniger repräsentativ sein. Analysieren Sie die getroffenen Aussagen deshalb sorgfältig und unterziehen Sie sie gegebenenfalls einem Faktencheck mit dem verbleibenden Team.

Werten Sie Austrittsgespräch im Nachhinein systematisch aus und leiten Sie entsprechende Maßnahmen ab. Wer das nicht tut und die Protokolle in der Schublade verstauben lässt, kann den ganzen Aufwand auch gleich bleiben lassen.

Gut getrennt ist halb gewonnen

Der wesentliche Nutzen von Austrittsgesprächen liegt darin, daraus für die Zukunft zu lernen. Wenn Sie aus erster Quelle erfahren, wo die Probleme und Schwachstellen im Unternehmen liegen, können Sie die Ärmel aufkrempeln und die Dinge anpacken, bevor weitere Kündigungen folgen. Das wird die Mitarbeiterzufriedenheit nach oben kurbeln und die Fluktuationsquote senken.

Wenn Sie im Austrittsgespräch auch nach positiven Erinnerungen und jenen Dingen fragen, die der Mitarbeiter vermissen wird, bekommen Sie wertvolles „Futter“ für Ihre HR-Kommunikation.

Nutzen Sie diese Informationen zur Bindung Ihrer bestehenden Mannschaft genauso wie für Ihr Employer Branding in Richtung potentieller Bewerber und stärken Sie Ihre Vorzüge als Arbeitgeber.

Und nicht zuletzt: Nach einer einseitigen Kündigung im Guten auseinanderzugehen kann sich noch lange bezahlt machen. Die Welt ist klein und man trifft sich immer zweimal im Leben - gut, wenn man sich dann noch in die Augen schauen kann.

Und wer weiß: Wenn Sie mit Ihrem Mitarbeiter auch nach seinem Ausscheiden in gutem Kontakt bleiben, wird er einer späteren Rückkehr vielleicht nicht abgeneigt sein. Jedenfalls wird er in seinem Umfeld und am neuen Arbeitsplatz viel Gutes von Ihrem Unternehmen zu erzählen haben. Schließlich trennt sich nicht jeder Betrieb so wertschätzend von seinen Mitarbeitern. Leider.

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