Die Zukunft gehört jenen, die mit dem Kopf arbeiten. In einer Welt, in der Wissen als zentrale Ressource zunehmend körperliche Arbeit, Handwerk, Kapital und Besitz ersetzt, sind neue Systematiken erforderlich, die Wissensschaffung und Wissenstransfer innerhalb von Unternehmen als selbstverständlichen Prozess verankern. Diese Kompetenz wird auch als Wissensmanagement bezeichnet. Wie das genau funktioniert, wollen wir hier etwas genauer beleuchten.
„Wissen ist Macht.“, konstatierte Francis Bacon. Analog könnte man folgern: Unwissen ist Ohnmacht. Vor dem Hintergrund politisch-soziologischer Ereignisse ist der Begriff Macht – zumindest im deutschen Sprachraum – negativ besetzt, da es mit der Überlegenheit einzelner Mächtiger assoziiert wird. Das englische Wort Power ist dagegen etwas neutraler.
Auf den reinen Handlungsaspekt angewandt, bedeutet der Begriff nicht zwingend Übermacht, sondern lediglich erweiterten Aktionsspielraum und die Möglichkeit, die eigenen Ziele umzusetzen. Je komplexer das Handlungsfeld, desto spezifischer und detaillierter muss das akquirierte Wissen sein. Wissen ist somit die Summe der Erfahrungen, Kenntnisse und Kompetenzen, die ein Individuum, eine Gruppe oder eine Institution in einem Problembereich handlungs- und lösungsmächtig machen. Es gibt dabei aber nicht nur eine Art von Wissen.
Implizites und explizites Wissen – was ist der Unterschied?
Unternehmensinterne Schulungsunterlagen, Bedienungsanleitungen für den Umgang mit Geräten, Zielgruppenanalysen oder Marktforschungsdaten – all das fällt in die Kategorie explizites Wissen. Also das linear akkumulierte und formalisierte Wissen, das in Form von Daten, Informationen und Dokumentationen digital oder physisch innerhalb einer Organisation zirkuliert und zu jeder Zeit abgerufen werden kann.
Implizites Wissen oder auch „Erfahrungswissen“ ist dagegen personengebunden und nicht ohne Weiteres reproduzierbar. Es vereint persönliche Erfahrungsinhalte, kognitive Veranlagungen, Denk- und Verhaltensmuster, kreative Ansätze und Spontanverhalten zu einer individuellen Problemlösungskompetenz. Anders formuliert:
Es ist das Wissen, das Individuen unmittelbar und zum Teil instinktiv aus der Praxis generiert haben – beispielsweise eine eigentümliche, aber erfolgsbringende Art, mit spezifischen Kund:innen zu kommunizieren.
In vielen Fällen ist explizites Wissen ein formalisiertes, ehemals implizites Wissen, das zu einer allgemeinen Formel theoretisiert wurde. In weniger komplexen Handlungsfeldern gelingt das auch weitestgehend problemlos, in der modernen Arbeitswelt von heute ist die Umwandlung von implizit zu explizit eine Kunst, die gelernt sein will.
Wissen vom Wissen:
Das SECI-Modell.
Ikujirō Nonaka und Hirotaka Takeuchi gelten als die Urväter des heutigen Wissensmanagements. Mit der von ihnen entwickelten Wissensspirale, genannt: SECI-Modell, revolutionierten die beiden japanischen Wissenschaftler 1995 die bis dahin herrschenden Ansichten zum Thema Wissen. Ihr Modell geht davon aus, dass Wissen als Unternehmensressource in einer konstanten Wechselwirkung aus implizitem und explizitem Wissen entsteht. Subjektive Erfahrungen, Vorstellungen und Kompetenzen einzelner Mitarbeiter:innen werden dabei in einem systematischen Transformationsprozess aus Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung – kurz SECI – als Kollektivwissen dem gesamten Unternehmen eingeprägt.
Implizit zu Explizit zu Implizit:
Die 4 Phasen der Umwandlung
- Sozialisation:
Wissen, beruhend auf Erfahrungsaustausch bei horizontaler und vertikaler Kommunikation. [sympathized knowledge] - Externalisierung:
Die Transformation von unbewusstem zu bewusstem Wissen. Implizites Wissen wird dokumentiert und konzeptualisiert, also externalisiert. [conceptual knowledge] - Kombination:
Bestehendes Wissen wird durch die Verbindung mit anderen Wissensinhalten zu neuem expliziten Wissen zusammengesetzt. [systemic knowledge] - Internalisierung:
Explizites Wissen, das durch die vorhergehenden Prozesse erfahren wurde, wird in einem individuellen Prozess wieder verinnerlicht. [operational knowledge]
Wie aus der obigen Systematik ersichtlich wird, ist implizites Wissen häufig von einzelnen Mitarbeiter:innen intuitiv erworben und deshalb nicht immer direkt, manchmal sogar überhaupt nicht vermittelbar. Dass es sich aber durchaus lohnen kann, beweisen zahlreiche Fallbeispiele – ein prominentes davon ist der Bau von Brotbackautomaten in den 1980er Jahren: Um herauszufinden, warum sich die Brötchen des Bäckermeisters so gravierend von jenen der Automaten unterschieden, wurden Techniker in die Bäcker-Lehre geschickt. Durch Beobachtung und Nachahmung wurde dort implizites Wissen erworben, das später zur systematischen Weiterentwicklung der Maschinen genutzt werden konnte.
Wissenstransfer ist individuell
Welche Maßnahmen im Bereich Wissenstransfer notwendig sind, ist von Unternehmen zu Unternehmen verschieden und muss individuell evaluiert werden. Gerade bei klein- und mittelständischen Unternehmen hat implizites Wissen in der Regel eine höhere Bedeutung, da die einzelnen Mitarbeiter:innen infolge flacherer Hierarchien und weniger Regularien mehr Freiraum haben, ihre eigene Arbeitsweise zu entwickeln. Hier gilt: never change a running system.
Gerade dieser Umstand kann als Wettbewerbsvorteil genutzt werden, da der Informationsaustausch bei kleineren Betrieben oft direkt und intuitiv erfolgt.
Bei größeren Unternehmen sind dagegen systematische Evaluierungsprozesse notwendig, die Teil des Qualitätsmanagements sind. Digitale FAQ und Wissensmanagement-Tools wie Confluence, Igloo oder Keeb können hier eine große Unterstützung sein.
Kurz gesagt: Viele Wege führen nach Rom, dass sich aber ein effektives Wissensmanagement in jedem Fall positiv auf ein Unternehmen auswirkt, steht außer Frage. Zeitersparnis, höhere Innovationskraft, optimierte Arbeitsabläufe sind nur einige der daraus resultierenden Benefits.